Der Lutherweg in Sachsen - Eröffnung der Teilstrecke zwischen Zwickau und Torgau
Es tut gut, uns von dem, was uns täglich belastet, frei zu machen - der Lutherweg bietet Ihnen dazu die Gelegenheit. Der "Lutherweg in Sachsen" lädt ein, die Wirkungsstätten der Reformation zu besuchen. Entdecken Sie die Spuren, welche die Reformation bis heute in einer traditionsreichen, historisch gewachsenen Landschaft hinterlassen hat.
Der Lutherweg führt als spiritueller Wanderweg durch landschaftlich reizvolle Regionen. Er verbindet Städte, Stätten und Orte, an denen Martin Luther und seine Wegbegleiter wirkten.
Am 04.Juni 2014 wird in Gnandstein ein weiterer großer Teilabschnitt des "Lutherweg in Sachsen" eröffnet - die Verbindung zu den Pendants in Thüringen und Sachsen-Anhalt ist damit geschlossen.
Mitteldeutschland wird dann um einen wichtigen Weg reicher sein. Er präsentiert sich den Gästen mit seinen großen und kleinen Schätzen zu einem Thema, dass heute so aktuell ist, wie in den letzten fast 500 Jahren.
DER IN SICH VERKRÜMMTE MENSCH
Von Gnandstein über Borna nach Neukieritzsch
Manche Historiker bejahen es, andere widersprechen. Hat Martin Luther in der Kapelle der Burg Gnandstein, der besterhaltenen romanischen Wehranlage Sachsens, gepredigt? Es gibt keinen Datumsbeleg, nur eine Darstellung des Zwickauer Künstlers Peter Breuer, der den Reformator in dem prunkvollen spätgotischen Raum redend zeigt. Er ist auf einer der drei Flügelaltäre zu betrachten.
Dennoch hat die reformatorische Bewegung den Ort frühzeitig erreicht. Die Herren von Gnandstein waren von Anfang des 15. Jahrhunderts bis 1945 die von Einsiedel. Die Familie gehörte zu den ersten sächsischen Adelsdynastien, die sich der lutherischen Bewegung anschloss. Belegt ist das durch den intensiven Briefwechsel, der unter Haubold von Einsiedel und seinen Brüdern, den wesentlich jüngeren Halbbrüdern Heinrich Hildebrand und Heinrich Abraham, mit Luther und anderen Reformatoren geführt worden ist. Haubold hat Luther getroffen, mehrere persönliche Begegnungen soll es gegeben haben; klar ist nicht, wann und wo.
Haubold, ein Mann mit erklärter humanistischer Gesinnung, hatte nach dem Tod seines Vaters, Heinrich I. von Einsiedel, 1507 die Erziehung seiner Brüder übernommen. In seiner Ägide wurde der spätgotische Neubau der reich ausgestatteten Gnandsteiner Dorfkirche vollendet. Dort befindet sich sein Grabdenkmal und das anderer Familienmitglieder.
Als nach seinem Tod 1522 die Brüder die Burg in gemeinsamem Besitz bewirtschafteten, geriet die Belehnung der der Reformation anhängenden Herren von Gnandstein noch einmal in Gefahr. Herzog Georg, stramm katholisch, versuchte Einfluss auf die jungen Männer auszuüben. Ende 1527 gab es sogar einen Rückschlag. Landesherr Georg der Bärtige verbot 18 Dörfern, ihren Einsiedelschen Lehnsherren Zins, Rente, Dienste und Frohne zu leisten. Er befahl, lutherische Prediger zu verjagen und katholische Priester zurückzuholen. Im Fall des Ungehorsams sollten die von Einsiedel ihre Besitzungen verkaufen und das Land verlassen.
Um dem zu entgehen, beugten sie sich der Anweisung und entließen den Gnandsteiner Pfarrer. Doch die Kirchenstelle blieb unbesetzt, noch im selben Jahr trat ein anderer evangelischer Pfarrer seinen Dienst an. Die Burgherren hielten an der lutherischen Gesinnung fest, ihr Herrschaftsgebiet wurde flächendeckend evangelisch. Luther bezeichnete die Familie als einzigartiges Licht im Dunkel des Adels, der vor allem zu Beginn der Reformationszeit meist noch dem römischen Glauben anhing.
An diesem Beispiel wird deutlich, wie schwer es für fortschrittliche Blaublütige war, die Reformation gegen rückständige Herrscher, die an der alten Kirche festhielten, durchzusetzen. Luther war unwillig, als sich die Gnandsteiner Brüder dem Landesherrn beugten, aber mit Heinrich Hildebrand kam es zum regen Briefwechsel. Einsiedel empfand trotz seiner Herkunft ungerecht, am überkommenen System der Frondienste festzuhalten. Besser wäre Lohnarbeit für die Untertanen, meinte er. Luther sprach sich gegen eine Aufhebung der Frondienste aus. Beide begründeten ihre Einstellung mit Bibelzitaten. Heinrich Hildebrand gab schließlich nach, vermachte aber in seinem Testament den Untertanen über 3700 Gulden, eine enorme Summe. Es war die soziale Gerechtigkeit, die seinerzeit Furore hatte als gesellschaftliches Thema.
Borna bereiste Luther oft, wenn seine Wege ihn in Richtung Süden führten. Er hielt Zwischenstopp bei seinem Freund Michael von der Straßen im Haus am Markt 9, der Geleitsmann war ein leidenschaftlicher Verfechter der Reformation. Viele Jahre konnte Luther nicht den kürzeren Weg über Leipzig nehmen, da ihm dort Gefahr drohte. In Borna im Leipziger Südraum war er sicher, dort hatten die Bürger schon 1519 in Wittenberg um einen "feinen Prediger" gebeten. 1520 wird Wolfgang Fusius erster evangelischer Pfarrer in Borna. Zu der Zeit ist noch ein katholischer Priester tätig, der aber klagt, dass kaum noch Bürger in seine Messen kommen und die Sakramente verachtet werden. Der evangelische Glaube hatte sich schon verbreitet.
Luther predigte in der Stadtkirche St. Marien, er ging auf das Gefühlsleben gläubiger Menschen ein. Neben St. Marien steht ihre kleine Schwester, die Emmauskirche, die 2007 umgesiedelt wurde aus dem zwölf Kilometer entfernten Heuersdorf.
Im Oktober 2011 wurde auf dem Lutherplatz die Skulptur des niedersächsischen Metallbildhauers Hilko Schomerus aufgestellt. Ein Mönch, der verzagt wirkt, geplagt von Ängsten und Selbstzweifeln. Es ist Luther als Junker Jörg mit dichtem Bart, der 1522 nach Unruhen Wittenberg verlässt, um sich auf die Wartburg zu begeben. Weil er unter Reichsacht steht, tut er das in Gestalt eines Junkers. Die Bornaer Metallfigur, etwa 170 Zentimeter groß, hebt mutig eine Hand, die andere ist zur Faust geballt, doch die Gesichtszüge zeigen innere Pein. Der junge Luther ahnt, dass er ein großes Werk zu vollbringen hat, zaudert aber angesichts des Ausmaßes dieser Aufgabe. Der leibhaftige Luther sprach vom homo incurvates in se, dem "in sich verkrümmten Menschen", der nur auf seinen Glauben an die Gnade Gottes setzen könne, auf keine andere Sicherheit. Eine gelungene Plastik, die darauf hinweist, dass die Glaubenserfahrung eine innere Entwicklung auslöst, die ihre Zeit braucht, bis sich der freie Christenmensch entfalten kann. Hilko Schomerus hat Luthers Bornaer Predigten von vor fast einem halben Jahrtausend kongenial umgesetzt.
Die Bornaer Stadtpfarrkirche stammt aus dem er ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, rund 200 Jahre später wurde sie zur dreischiffigen spätgotischen Hallenkirche umgebaut. Immer noch läuten die Glocken aus dem 15. Jahrhundert. Borna, lange Zentrum des Braunkohlebergbaus, blickt auf eine über 750-jährige Geschichte zurück. Davon zeugt das Reichstor als Teil der früheren Stadtbefestigung. Dort werden in einem kleinen Museum Gegenstände der Reformationszeit gezeigt, so Bibeln und Gesangsbücher in deutscher Sprache sowie der Öldruck "Luther mit Übersetzerkreis" aus dem 19. Jahrhundert.
Das Lutherdenkmal in Neukieritzsch zeigt die Bildnisse der Ehepartner auf gusseisernen Medaillons an einem 3,50 Meter hohen Obelisk. 1884 war das Denkmal in Zöllsdorf aufgestellt worden, das dem Bergbau zum Opfer fiel. Deshalb kam es ins Zentrum von Neukieritzsch, das sich erst 1842 als kleine Ansiedlung gebildet hatte. Heute ist es eine große Gemeinde mit einem modernen Sakralbau, der erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands errichtet wurde. Er trägt den Namen Katharina-von-Bora-Kirche. Luthers Ehefrau hatte von ihrem Mann das Gut Zöllsdorf 1540 als Witwensitz geschenkt bekommen, ihre Familie, die von Boras hatten einst hier ihren verlorengegangenen Stammsitz. Er selbst war nie hier, aber die Lutherin reiste häufig mit ihrem Pferdefuhrwerk in das "Gütlein", zwei Tagesreisen von Wittenberg. Meist blieb sie mehrere Wochen, die Landwirtschaft hier produzierte große Mengen Lebensmittel für ihre Wittenberger Hauswirtschaft. In Lippendorf, einem Ortsteil von Kieritzsch, hängt in der Katharina-Luther-Kapelle eine Gedenktafel, die an die Geburtsstätte der Katharina von Bora erinnert.
Text: © TV SBuHL, Roland Mischke